musikverrueckte Menschen sind das Sahnehäubchen unseres irdischen Daseins

AGUA Y VINO - Das Interview (Seite 3)

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Wo bekommt Ihr neue Flamenco-Musik?

Erik: Also zum einen über die Flamenco-Zeitschrift anda, die auch sehr viele Neuerscheinungen vorstellt. Aber direkt in Spanien bestellt man billiger. Es gibt da übers Internet unzählige Möglichkeiten.

Ich habe da am Anfang mal versucht zu bestellen, aber da gab es nur eine spanische Sprachausgabe mit irgendwelchen komplexen Zahlungsmöglichkeiten.

Erik: Ja, gerade Flamenco ist ja etwas Traditionelles im Grunde und die gehen oft davon aus, dass man spanisch spricht.

Barbara: Es ist ja auch eine Randerscheinung, selbst in Spanien. Flamenco ist eigentlich ein südspanische Sache. Der Nordspanier hat an und für sich gar kein Interesse am Flamenco. Nicht jeder Spanier ist Flamenco-Fan. Die grösste Fangemeinde ist in Japan, danach kommt schon Deutschland. Die Japaner haben wahnsinnig viele Flamenco-Schulen, die Spanier auch - aber halt überwiegend in Südspanien. Wir waren neulich in Barcelona und haben nach Flamenco-Sachen gesucht. Da gab es ein Geschäft, das war unglaublich schlecht sortiert und die Sachen bekommt man wesentlich billiger im Internet.

Wie ist das so für einen Gitarristen, Erik, wenn man als Fremder nach Spanien kommt, Du hast ja dort gelernt oder Unterricht genommen?

Erik: Also die Leute, die wir kennen gelernt haben, sind da sehr zuvorkommend und freundlich - im Grunde, wenn die merken, dass man Interesse hat an der Kultur, die sie vertreten. Als ich das erste Mal runter gefahren bin, konnte ich “Null” spanisch und mein Gitarrenlehrer, den habe ich über das Internet gefunden.

Du bist da einfach runtergefahren, weil Du Flamenco-Gitarre lernen wolltest?

Erik: Ich war da ein bisschen naiv und habe geglaubt, da kann bestimmt jeder Englisch. Ich war dann in einem kleinen Dorf in Andalusien an der Atlantikküste - wenig Tourismus, dort gab es eine kleine Flamenco-Schule - eigentlich eine Sprachschule, die aber auch Flamenco angeboten hat - der Lehrer konnte dann kein Wort Englisch, ich kein Spanisch und wir haben uns dann mit Handzeichen verständigt und das hat mich dann motiviert, Spanisch zu lernen. Ich sehe mich jetzt nicht als Sprachgenie, aber ich wusste, wenn ich da ein bisschen weiter kommen will, muss ich Spanisch lernen.

Singst Du auch, Erik?

Erik: Ja, aber das will keiner hören (lacht)

Du hast eigentlich eine schöne weiche Stimme

Barbara: Ja, Lieder von Marius Müller-Westernhagen (lacht)

Wolfgang aus Versbach möchte gerne wissen, was Ihr so privat hört für Musik? Techno, Rock oder Klassik?

Barbara: Also ich höre gerne auch mal Jazz oder klassische Gitarre, ansonsten hängt es bei mir ganz von der Stimmung ab, ich höre auch mal ganz querbeet Rachmaninov, Romantik, Michael Jackson höre und sehe ich gerne - also gut durchgemischt - 70er Jahre Pop und Rock, Earth, Wind & Fire, Led Zeppelin und solche Geschichten.

Und Du hörst gerne die Dire Straits, Erik (Während des Konzertes spielte Erik eine instrumentale geniale Fassung des Songs “Sultans Of Swing” und ein Zuhörer, der den Titel erraten konnte, bekam zur Belohnung die aktuelle CD geschenkt)

Erik: Im Flamenco würde man das “Duende” nennen. Der Mark Knopfler spielt so beseelt. Da gibt es einen Gitarristen namens Pedro Garcia Gonzalez, der hat erkannt, welches Potential in diesem Stück steckt. Wenn man diese Akkordfolge auf a-moll und d-moll und wieder auf a-moll umlegt, das ist eine sogenannte spanische Kadenz.

Barbara: Es gibt im Flamenco Akkordfolgen, die sind immer gleich, nur im modernen Flamenco kommen halt noch einige Jazzakkorde hinzu: a-moll E-Dur G-Dur mit leerer E-Saite.

Erik: Es ist witzig, die alten Spanier hatten drei Lagen auf der Gitarre. Die eine war Boariba, das war E-Dur, dann Formidio, das war A-Dur mitten drin, und Abacho, das war F-Dur und dann, wenn der Sänger die Stimmlage änderte, dann wurde die Tonart mit dem Kapodaster verändert. Es hat sich aber auch viel verändert, beim traditionellen Flamenco warst Du mit a-Moll, G-Dur und F- Dur dabei, die alten Meister haben alles mit dem Daumen gespielt, ich dagegen spiele es mit dem Pick, weil ich die rasend schnellen Läufe nie so hin bekommen habe wie die Meister, ich spiele es entweder mit dem Daumen oder Zeigefinger oder mit dem Plektrum, während ein traditioneller Flamenco Gitarrist die schnellen Läufe mit dem Index (= Zeigefinger, Anm. d. Verf.) und Mittelfinger spielt. So wie ich es mir angewöhnt habe, ist es einfacher und lockerer. Es gibt da noch die ganz alte Technik, in der die Läufe von pollux (= Daumen, Anm. d. Verf.) und Index gespielt werden. Die modernen Musiker spielen ihren Wechselschlag mit dem Plektrum.

Wie hast Du angefangen mit der Gitarre, Barbara?

Barbara: Ich habe mit den Beatles angefangen und bin dann durch einen Lehrer zur klassischen Gitarre gekommen, weil mir die spanische Gitarre schon immer gut gefallen hat, Carcassi oder Carulli haben mir eigentlich weniger gefallen. Es war auch ein schleichender Prozess, ich habe einen Gitarrenlehrer gehabt, der hat Klassik und Flamenco gespielt und so bin ich langsam in dieses Thema reingerutscht.

Glückwunsche vom Veranstalter nach einem tollen Konzert

Und Du spielst aber auch noch aktiv klassische Gitarre?

Ja, in meinem anderen Projekt “Duo Tedesco”

Eine abschliessende Frage habe ich noch: Wie geht denn diese düstere Geschichte - ich glaube, es ist das sechste Stück auf Eurer CD - am Ende aus? Ist da ein gutes Ende vorprogrammiert?

Barbara: Welches Stück meinst Du jetzt, die Petenera?

Das Stück - ich meine jetzt die Lejenda - mit der elektrischen Gitarre.

Barbara: Ah, das ist die Llorana. Ja, das ist die Frau, die ihre Kinder über die Klippen geschmissen hat und sie hat sich dann hinter her geschmissen und ihr Geist schwebt noch immer über den Klippen und wenn jemand vorbei kommt, wird er von diesem Geist so angezogen, dass er selbst über die Klippen stürzt. Da gibt es wahnsinnig viele Verse. Kennst Du den Film Frida?

Gesehen habe ich ihn leider noch nicht bisher.

Barbara: Das ist der Film über eine Malerin und da gibt es eine Sängerin, die Chavela Vargas heisst. Die ist so um die 80 Jahre alt und die singt das dann in diesem Film mit gebrochener Stimme und diese ganzen Verse drehen sich immer um das Thema “Ich bewundere Dich, wie schön Du bist und ich würde Dir alles zu Füssen legen. Den Mond und die Sterne würde ich für Dich holen. Aber andererseits stürzt Du mich auch in mein Verderben.” Ein richtiges Ende hat aber die Geschichte nicht. Es gibt auch düstere Zeilen wie “Lass mich unter Deinen Umhang kommen, die Welt ist so kalt.” Der Mond ist eine Frau und deswegen ist die oder hier Der Sonne eifersüchtig, weil sie vom Mond hintergangen wird. Die Texte sind halt sehr skurril und man kann sich da rein interpretieren, was man will

Wie sucht Ihr Euch diese Geschichten aus, die Ihr in Euren Texten verarbeitet. Habt Ihr da Märchenbücher oder Literatur über Legenden?

Barbara: Ich kenne z. b. von dieser Llorana zahlreiche Strophen und habe dann die verarbeitet, die ich auch am schönsten finde, die mir dann auch vom Text das Gefühl geben, die klingen schön.

Als ich den Song gehört habe, dachte ich, Flamenco ähnelt - zumindest was so das Geschichten erzählen - auch den Liedern der afrikanischen Griots. Die verarbeiten auch die interessantesten Texte in wunderbaren Melodien.

Barbara: Wobei ich aber auch anmerken muss, dass dieser Song nicht in die Rubrik Flamenco eingestuft werden kann, sondern mexikanischen Ursprungs ist.

Erik: Ich möchte dazu noch anmerken, dass in Spanien selbst die Sänger am populärsten sind, während es im Ausland eher die Tänzer sind. Die wirklichen Stars in der spanischen Heimat sind die Sänger, weil diese die Geschichten erzählen, während der Rhythmus und grösstenteils unveränderlich und fest ist wie eine Uhr.

Vielen Dank für das Interview und für Eure Zeit

Barbara: Danke für Dein Interesse an unserer Musik.

 

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